SXSW 2018: Rettet Bumble das Social Web?
Irgendwas ist anders im Saal H des Hilton zu Austin.
Aber was?
Langsam sickert die Erkenntnis ein: Es sind die Frauen.
Insgesamt machen sie rund die Hälfte der SXSW-Besucher aus, was für eine Tech-Konferenz ohnehin bemerkenswert ist. Doch in diesem Moment sind drei Viertel der 300 Anwesenden weiblich. Noch überraschender: Bei jener proppevollen Session geht es um eine Dating-App, obwohl jenem Genre nachgesagt wird, vor allem Männer anzuziehen.
Vieles ist eben anders bei Bumble (übersetzt: Hummel). Die im Dezember 2014 gestartete App begeistert Frauen, hat ein Geschäftsmodell gefunden, die gesamte Idee von Datingapps revolutioniert und ist der Gegenentwurf zu Hasskommentaren und Trollen. Und: Bumble wurde geboren aus sexueller Belästigung, Frauenfeindlichkeit und Beleidigungen.
Es ist eine wilde Geschichte, diese Gründungshistorie, und es ist die wilde Geschichte von Whitney Wolfe-Herde – sie ist der Grund, warum der Saal H so voll ist.
Unaufgeregt und humorvoll berichtet die 29-Jährige von dem, was aufregt und wütend macht. Sie gehörte zu den Gründern von Tinder, jener App, die Online-Dating auf dem Handy populär machte – genauso wie ihr Ex-Boss und Ex-Partner Justin Mateen. Im Juni 2014 verließ sie Tinder und verklagte sowohl das Unternehmen als auch Mateen. Der habe sie „Hure“ genannt und mit beleidigenden Mails bombardiert. Außerdem hatte die Tinder-Muttergesellschaft sie in der Kommunikation aus dem Gründerteam gestrichen.
Wolfe und Tinder einigten sich außergerichtlich – sie erhielt nach Informationen von „Forbes“ eine Million Dollar. Doch damit wurde sie zum Ziel der Frauenhasserszene auf Twitter, die sie aufs Übelste beleidigte, sogar Vergewaltigungsdrohungen gab es. „Ich habe damals viel getrunken und viel geheult“, sagt sie, „während sich heute Frauen unter dem Hashtag #metoo solidarisieren, erhielt ich damals keine Unterstützung“.
In diesem Tal entstand die Idee: „Ich dachte, vielleicht gibt es einen Markt für ein Social Network, das positives Verhalten belohnt.“ Ein Anti-Tinder, ein Anti-Twitter, ein Anti-Facebook.
Bumble funktioniert so: Nutzer beiderlei Geschlechts sehen Profile anderer Nutzer und können diese liken. Haben zwei Nutzer sich geliked (und natürlich sehen sie nicht, wer sich für sie erwärmt hat), können sie Nachrichten austauschen. Allerdings: Die Frau muss immer die erste Nachricht schicken und das innerhalb von 24 Stunden. Wer länger Zeit haben möchte, muss ein kostenpflichtiges Abo für 9,99 Dollar monatlich abschließen.
Die Überraschung: 10 Prozent der 22 Millionen Nutzer tun dies – doppelt so viel wie bei Tinder. 2017 dürfte Bumble bereits 100 Millionen Dollar umgesetzt haben, der Wert könnte sich in diesem Jahr verdoppeln. Schon gibt es den Ableger Bumble BFF um platonische Freunde zu finden und Bumble Bizz, ein Netzwerk für geschäftliche Kontakte. Im Dezember schaffte Wolf es auf das Cover des Wirtschaftsmagazins „Forbes“: „Ich habe es kaum durch’s College geschafft. Als ich meinem Vater die Zeitschrift zeigte, fragte er zögernd, ob sie echt ist.“
Der Erfolg von Bumble erklärt sich auch aus einem psychologischen Trick, meint die Gründerin: „Von Männern wird erwartet, dass sie konsequent auf der Jagd sind.“ Das könnten sie auch auf Bumble sein. Doch weil nur Frauen jene erste Nachricht schicken könnten, „fühlen sich Männer besonders geschmeichelt“.