Online-Marketing für B2B
Digitales Marketing ist nichts für den B2B-Unternehmen. Dieses Vorurteil hält sich beständig. Tatsächlich aber tut sich dieser Bereich häufig leichter als endverbraucherorientierte Segmente.
Der Kreis jener Menschen, die sich intensiv und emotional über Lötpaste ereifern ist – bei allem Respekt für Lötpaste und ihre Produzenten – von überschaubarer Größe. Weshalb der Gedanke nahe liegt, dass sie eher nicht geeignet ist, um zum Thema in Social Media zu werden. Doch das ist eine Fehleinschätzung, wie das Beispiel Indium demonstriert. Der US-Hersteller von Zutaten für die Elektronikfertigung zeigt, dass digitales Marketing selbst für wenig massenwirksame Produkte aus dem Bereich B2B geeignet ist.
Denn genau das wird ja gern bestritten: B2B lebe von persönlichen Beziehungen, sagen die Skeptiker, häufig gewachsen in Jahrzehnten. Meist gibt es auf den Märkten nur wenige Zulieferer und/oder wenige Abnehmer, jeder kennt jeden, und je nach Konjunktursituation gewinnt mal der höherpreisige Innovationsführer oder der günstigere Nachahmer. Wo soll da Platz für Social Media und Sharing sein?
Indium jedoch teilt – Fachwissen. Das Unternehmen aus dem Bundesstaat New York sah sich vor einigen Jahren vor einer substanziellen Herausforderung: In den Emerging Markets entstanden neue, mögliche Kunden, zu denen aber keine gewachsene Beziehungen bestanden. Mehr noch: Diese kannten nicht einmal den Namen Indiums. Was taten sie, um Zulieferer von Produkten wie Lötpaste zu finden? Was alle tun: Sie googleten.
Als Indium das erkannte, animierte es seine Ingenieure zum Bloggen. Denn Weblogs besitzen aus sich heraus eine suchmaschinenfreundliche Architektur. Außerdem gab es, wie häufig im B2B-Feld, nur wenig, fachbezogene Inhalte im Web. Diese liefern nun 18 der Indium-Experten mit ihren Blogs. Die Abrufzahlen dürften sich in so überschaubaren Bahnen bewegen wie die Zahl der Fans von Lötpaste – doch wer die Artikel liest (und versteht), wer gar aktiv nach Informationen über Epoxid-Harz oder Gallium-Zinkoxid sucht, der gehört praktisch automatisch zu der Fachöffentlichkeit, die Indium erreichen will. Folge: Bei wichtigen Fachbegriffen belegen die Indium-Blogs Top-Platzierungen auf Google.
„Mein Ziel war und bleibt, das Feld als ,Thought Leader’ in einem weiten Spektrum sachbezogener Inhalte zu beherrschen“, erklärte Rick Short, Indiums Marketing-Direktor, in einem Interview mit dem Web-Dienst HubSpot. Seine Rechnung: Technologie und Produkte sorgen für Inhalte, relevante Inhalte sorgen für Kontakte, Kontakte für Umsatz: „In Dimensionen wie ,Investierte Zeit pro Kontakt’, ,Geld pro Kontakt’ oder ,Investierte Zeit insgesamt’ sind Bloggen und die damit verbundenen Social Media die effizienteste Aktivität.“
Doch Sharing funktioniert auch in anderen Bereichen des B2B-Feldes. Schon 2006 verkündete Procter & Gamble, seinen Innovationsprozess zu öffnen: Seitdem kommt die Hälfte aller neuen Entwicklungen von Erfindern, kleinen Ingenieursfirmen oder über Plattformen wie Innocentive oder NineSigma, auf denen Unternehmen Lösung für Problemstellungen gegen eine Prämie suchen. Offen zuzugeben, woran ein Konzern arbeitet, ist schon eine Kulturrevolution. Doch P&G geht noch weiter: Um den Wissensstand der externen Helfer hochzuhalten, gibt das Unternehmen seine Patente nach fünf Jahren frei in dem Glauben, dass Wissen sich vermehrt, wenn man es weitergibt.
Selbst Plattformen wie Facebook, scheinbar nur dem Endverbrauchermarketing zuträglich, helfen B2B-Firmen. So nutzt der Werkzeughersteller Festool seine Facebook-Seite nicht nur, um ein Markenbild aufzubauen – sondern auch für handfeste Kundenbetreuung. Ergebnis: über 46.000 Anhänger. Denn Social Media lässt die Grenzen zwischen Arbeitswelt und Privatleben verschwimmen. Und so schaut der Landwirt am Abend, nach einer kleinen Kontrolle auf der Facebook-Seite des Nachwuchses, vielleicht beim Landmaschinenhersteller John Deere vorbei. Der zählt auf Facebook fast 1,5 Millionen Fans, deren Aktivitätsniveau doppelt so hoch ist als das der Adidas-Freunde.
Natürlich ist diese offene und teilweise öffentliche Art der Kommunikation ungewohnt für B2B-Unternehmen. Viele von ihnen sind getrieben von Geheimhaltung, sowohl bei Kundenbeziehungen wie im Forschungsbereich. Das ergab auch eine Umfrage unter 5.000 amerikanischen B2B-Marketeers zum Thema Social Media, durchgeführt vom Marketing Dienstleister Penton. 81 Prozent von ihnen sahen große Herausforderungen für B2B-Unternehmen, 65 Prozent aber hielten diesen Teil des Web für interessant in Sachen Business.
Eine besondere Hürde ist dabei das Eingabefeld von Plattformen wie Facebook oder Twitter. „Was gibt’s Neues?“, lautet die aufmunternde Frage. Was soll ein B2B-Unternehmen in dieses Feld schreiben? Hier ist der Konsumgüterbereich weiter: Dort entwickeln Marken wie Coca-Cola Content-Strategien, die systematisch und abteilungsübergreifend mögliche Inhalte aufgreifen. Das geht auch im B2B-Umfeld, wie Siemens zeigt. Journalistisch aufbereitete Geschichten aus dem Konzern bilden dort den Schwerpunkt der Homepage, geschrieben von Redakteuren in einem eigens geschaffenen Newsroom. Dabei setzt Siemens auch stark auf Videos. Mit Erfolg: Auf Youtube erreichen die Filme bis zu 190.000 Abrufe. Diese Stories können dann auch die Grundlage für die Kommunikation in Social Media bilden, sie sollen dabei auch von Mitarbeitern im Web geteilt werden.
Eher zögerlich sind B2B-Unternehmen dagegen im Bereich der Content Curation, also dem Filtern und aufbereiten von Informationen, die außerhalb des Unternehmens entstehen. Auf diesem Weg erbringen sie eine journalistische Dienstleistung: Nachrichtenfilterung. So will „Business without Borders“ global agierende Unternehmen auf Informationen stoßen, die für sie interessant sind, gemischt mit eigenen Inhalten. Absender der Site: die Großbank HSBC.
Um dahin zu kommen, sind jedoch Grundlagen nötig, zum Beispiel die Erforschung der Interessen von relevanten Nutzern im Web. Hier herrscht im B2B-Feld Nachholbedarf, wie die Penton-Studie zeigt: 63 Prozent der Befragten wussten höchstens vage, was über sie und ihre Produkte im Web gesprochen wird.
Sie sollten sich ein Beispiel an ABB nehmen. Der Anlagenbauer betreibt aktives Social Media Listening und hat für jede der Plattformen eigene Erfolgsindikatoren definiert die Teil eines ROI-Systems sind. Und: Laut ABB ist der Return on Investment positiv.
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