Ist der Kauf von Facebook-Fans seriös?
Seit einiger Zeit bieten Firmen den Kauf von Facebook-Fans an. Wir halten dies für zutiefst unseriös – und noch dazu für pure Geldverschwendung.
Wieviele Menschen aus Bangladesh im noch jungen Alter von 18 bis 24 Jahren machen Urlaub in Österreich? Noch dazu in wundervoll idyllischen Wellness-Hotels der 4- bis 5-Sterne-Klasse?
Die Zahl dürfte sehr, sehr überschaubar sein. Und doch ist dieses soziodemographische Segment das am stärksten vertretene auf der – immerhin über 2.500 Freunde starken -Facebook-Seite eines Vermarkters österreichischer Hotels jener Güte.
Wie das kommt? Das Unternehmen kauft Facebook-Fans ein. Drei Anbieter gibt es dafür in deutscher Sprache zum einen Fanslave, zum anderen die Schwesterfirmen Fandealer und Cyburios. Sie operieren nach ähnlichen Prinzipien: Facebook-Nutzer können sich dort anmelden und erhalten für das „Fan-Werden“ (das ja seit geraumer Zeit nur „Liken“ heißt) ein paar magere Cent. Durch einen Artikel im „Spiegel“ gerieten Ende Juli mehrere bekannte Markenartikler ebenfalls in den Verdacht, sich Likes erkauft zu haben. Das Phänomen „Fan-Kauf“ ist also durchaus nicht beschränkt auf kleine oder mittlere Unternehmen.
Bei kpunktnull ist unsere Haltung dazu klar: Das Kaufen von Facebook-Fans oder Twitter-Followern ist pure Geldverschwendung – Unternehmen, die sich darauf einlassen, haben nicht verstanden, wie diese Social-Media-Plattformen überhaupt funktionieren.
Warum ist der Kauf von Fans unsinnig?
Schauen wir uns die Mechanik Facebooks dazu an. Nutzer sehen beim Einloggen ihren Nachrichtenstrom. Dieser besteht aus Statusmeldungen, Fotos und Aktivitäten von Personen, Institutionen und Marken, mit denen sie verbunden sind:
Jeder Facebook-Nutzer hat sich durchschnittlich mit 229 Personen verbunden, jeden Monat werden es drei mehr, ermittelte das PEW Institute.
Hinzu kommen die Markenseiten, die Pages, für die es keine entsprechend validen Zahlen gibt. Die Menge der Nachrichten, die bei solch einen Netzwerk täglich zusammenkommt, ist erheblich. Und deshalb filtert Facebook in der Grundeinstellung den Nachrichtenstrom: Das Netzwerk zeigt jene Meldungen, die seit dem letzten Login des Nutzers am interessantesten für ihn zu sein scheinen.
Dabei gibt es zwei Kriterien. Einerseits gewichtet Facebook die Art der Nachricht. So sind Veränderungen im Beziehungsstatus am wichtigsten, erzielte Punkte bei Spielen sind dagegen eher unwichtig. Andererseits bevorzugt das Netzwerk Meldungen von Personen oder Marken, die für diesen Nutzer besonders interessant zu sein scheinen, weil er häufig mit ihnen in Form von Nachrichten, Kommentaren oder Likes interagiert hat.
Erst wenn der Nutzer aktiv die „Sortieren“-Funktion von „Hauptmeldungen“ auf „Neueste Meldungen“ umstellt sieht er den chronologischen Verlauf aller Nachrichten seines Netzwerks.
Dann jedoch ist die Zeit der Filter: Ist eine Statusmeldung schon ein paar Stunden alt, ist es unwahrscheinlich, dass der Nutzer sich so weit nach hinten arbeitet.
Aber auf der Unternehmens-Page sind doch alle Beiträge zu sehen, oder?
Ja. Aber nur ein mikroskopischer Teil der Facebook-Nutzer besucht eine Marken-Seite, nachdem er ihr Fan geworden ist. Nur durch Gewinnspiele oder ähnliche Kampagnen wird er daran erinnert, eine solche Page zu besuchen. Der überwiegende Teil der User verlässt sich auf die Nachrichtenfilterung durch das Netzwerk.
Was beutet das für Unternehmens-Pages?
Die absolute Zahl der Fans wird noch immer von Führungskräften in den Fokus gestellt. Und natürlich ist es ein schönes Spiel, sich bei Branchenfestivitäten in diesem Punkt mit Mitbewerbern am Buffet zu messen. Tatsächlich aber ist die Zahl der Likes sekundär. Wichtiger ist die Rubrik rechts daneben auf der Firmen-Page: „… sprechen darüber“.
Dies ist die Zahl der Menschen, die mit den Inhalten dieser Seite in den vergangenen sieben Tagen interagiert haben in Form von Likes, Kommentaren oder dem Teilen von Beiträgen. Jede diese Aktionen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte der Marke im Nachrichtenstrom der Fans auftauchen.
Als Faustregel gilt: Eine Marken-Präsenz, bei der ein Prozent oder weniger der Fans innerhalb einer Woche aktiv sind, ist praktisch tot. Sie wiederzubeleben ist extrem schwer – denn man beginnt fast wieder bei Null. Deshalb ist ein kontinuierliches Facbook-Engagement so wichtig.
Und was hat das mit gekauften Fans zu tun?
Die eingekauften Freunde interessieren sich nicht für die Marke. Es ist höchst fraglich, ob sie überhaupt nur einen Blick auf das verschwenden, was sie auf der Marken-Page sehen. Sie wollen durch das Klicken des Like-Buttons ein paar Cent verdienen. Danach stört diese Marke sie nicht weiter – denn sie wird nie in ihrem gefilterten Nachrichtenstrom auftauchen.
Hinzu kommt: Nicht einmal nachhaltig ist der Fan-Kauf. Denn natürlich sind die Methoden von Fanslave, Fandealer & Co dem Social Network ein Dorn im Auge. Es hat angekündigt, so agierende Fans auszulisten. Somit riskieren Marken-Seiten mit gekauften Fans plötzliche Einbrüche ihrer Anhängerzahlen.
Ohnehin aber ergibt sich nach Fankäufen eine Entwicklung, die bisher empirisch nicht untersucht wurde. Kauft ein Unternehmen Likes ein, steigt die Zahl der Fans auf der Seite rapide an – logisch. Die Aktivität nimmt dadurch zunächst zu (die Nutzer klicken ja den Like-Button). Nach Abschluss der Aktion sacken beide Werte aber unter das zuvor beobachtete Niveau, die Zahl neuer Fans geht sogar in vielen Fällen auf 0 – und das über Wochen und Monate. Woran das liegt? Das ist derzeit so nicht zu klären. Möglicherweise liegt hier schon eine Änderung im Facebook-Algorithmus vor, die Fan-Käufe bestrafen soll.
Wer sind jene Fans, die sich kaufen lassen?
Leute, die für ein paar Cent ihre Zeit investieren. Das lässt schon erahnen: Sie zählen nicht einmal zu einer konsumfähigen Zielgruppe. Besser: Sie zählen überhaupt nicht mal ansatzweise zu irgendeiner Zielgruppe – so wie junge Bangladeschi für österreichische Wellness-Hotels.
Also was tun?
Facebook ist ein großartiges Marketing-Instrument. Aber es braucht Zeit, Geduld und Pflege. Ausgehend von einer klaren Strategie gilt es, die Verbraucher von sich zu überzeugen und sie tatsächlich – im wahrsten Sinne des Wortes – zu Fans zu machen. Unterstützend können dabei natürlich Gewinnspiele oder Facebook-Anzeigen eingesetzt werden. Einkäufe bei Fandealer, Fanslave oder Cyburios aber sind pure Geldverbrennung.
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