Integration
Der schlimmste Satz im digitalen Zeitalter lautet: „Wir müssen da rein.“ Meist sprechen ihn Chefs und ausbaden dürfen das dann die Mitarbeiter. Dieses „da“ ist das Internet und all seine Verästelungen. Mal Facebook, mal Twitter, mal Blogs, Iphone-Apps oder Communities wie Chefkoch.de.
Eher selten entsteht die Forderung „Wir müssen da rein“ aus dem exakten Wissen darum, wie es in den Diensten aussieht oder was das Unternehmen dort tun kann. Viel häufiger entspringt er der Lektüre eines Artikels in dem von einem Konkurrenten zu lesen ist, der schon „dort“ aktiv ist.
So horchte die Konsumgüterbranche Anfang 2010 auf. „Procter & Gambles klares Ziel für 2010 ist es sicherzustellen, dass jede seiner Marken eine sichtbare Präsenz auf Facebook hat“, bloggte der Venture-Capital-Investor David Hornik nach einem Treffen mit dem Top-Management des Konsumgüterkonzerns. Eine radikale Kehrtwende: Noch 2008 hatte Ted McConnell, damals Interaktiv-Chef von P&G, heftig über Social Media gelästert: „Was im Himmel lässt einen glauben, man könne es monetarisieren, wenn jemand darüber redet, dass er mit seiner Freundin Schluss macht?“
Wenn der größte Werbetreibende der Welt sein Vorgehen derart drastisch wendet, dann gibt es kein Halten mehr. „Wir müssen da rein“, forderten zahlreiche Chefs und ihre Mitarbeiter nickten. Egal ob Facebook, StudiVZ, Twitter oder Blogs – „wir müssen da rein“.
Schon einmal gab es eine solche Situation. Es waren die Jahre 1995 bis 1999 als jedes Unternehmen eine Homepage haben musste. Für irrsinnige Summen wurden Seitens ins Netz gebracht die konzeptionell oft genug heute noch Bestand haben. Was bedeutet: Sie waren damals so falsch aufgesetzt wie heute. So mancher Dienstleister hat sich dabei sein Ferienhaus im Süden verdient.
Die entscheidende Frage wagt gegenüber den Chefs selten jemand zu stellen. Sie lautet: „Warum?“ Wahlweise: „Was sollen wir dort tun?“
Bei jeder anderen Maßnahme, egal ob Marketing, Controlling oder Investition fragen sich Unternehmen, warum sie was tun – nur bei ihren digitalen Aktivitäten vernachlässigen sie dies zu häufig. Dabei erfordern diese ebenso eine Strategie und eine ständige Anpassung wie alles andere, was ein Unternehmen tut. Ebenso klar ist: Es handelt sich hier nicht um Einzelmaßnahmen sondern um ein konsistentes, vernetztes Vorgehen.
Bevor ein Unternehmen sich mit Verve in Social Networs wirft sollte es einen Blick auf die eigenen Homepage werfen. Selbst die Web-Auftritte großer Marken entsprechen heute oft nicht dem Stand der Zeit, sind nicht suchmaschinenoptimiert und erreichen Zugriffszahlen die von vielen privaten Weblogs überboten werden. Weil Suchmaschinen gierig sind nach frischen, textorientierten Inhalten werden sich Produkt- und Marken-Auftritte in den kommenden Jahren massiv wandeln – weg von statischen Warenpräsentationen, hin zu Nachrichten und Informationen. Das Corporate Publishing wird seine digitale Entsprechung erhalten.
Auch Social-Media-Präsenzen und Angebote für mobile Endgeräte wie Handys oder Ipad brauchen Planung und Kreativität. Ein konstruktives Vorgehen sieht exemplarisch so aus:
1. Übersicht
– Welche digitalen Aktivitäten betreibt das Unternehmen mit welchem Erfolg?
– Was macht die Konkurrenz?
– Auf welchen Plattformen sind Kunden aktiv?
– Wie äußern sich Kunden über die Leistungen des Unternehmens?
– Gibt es Multiplikatoren, die Kundenmeinungen beeinflussen können?
2. Ziele
– Wie sehen die Kommunikationsziele des Unternehmens insgesamt aus?
– Welche dieser Ziele können durch digitale Maßnahmen erreicht werden?
– Welche Ziele sollen erfüllt werden?
3. Aktion
– Entwicklung einer Strategie inklusive Maßnahmen und Kampagnen.
– Planung des Ressourceneinsatzes.
– Festlegung der Plattformen und Techniken.
4. Controlling und Nachjustierung
– Fortlaufende Erfolgskontrolle.
– Regelmäßiges Infragestellen der Maßnahmen und Anpassung an neu entstehende Plattformen und Techniken.
So ist auch Procter & Gamble vorgegangen. Das erfordert mehr Zeit, mehr Aufwand und mehr Gehirnschmalz als ein schlichtes „Wir müssen da rein“ – doch der Erfolg wird ebenfalls nachhaltiger sein. „Das nächste große Ding ist das Digitale“, sagt denn auch Procter & Gamble-Chairman Bob McDonald: „Ich möchte eine Eins-zu-eins-Beziehung zu sieben Milliarden Menschen haben, und jedem dieser sieben Milliarden ein individuelles Angebot mache. Das Digitale ermöglicht dies.“
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