Neue Gewinnspielregeln bei Facebook
Facebook macht Gewinnspiele auf Unternehmensseiten erheblich einfacher – doch ist das wirklich gut?
Unternehmen neigen dazu, extern vorgegebene Regeln nicht nur zu beachten – sondern ihnen genauestens zu folgen. Groß ist bei Verantwortlichen die Angst vor Rechtsstreitigkeiten, die nicht nur für den Arbeitgeber teuer werden könnten, sondern auch für den Entscheider durch Verlust seines Arbeitsplatzes.
Eine Ausnahme waren immer Gewinnspiele auf Facebook. Das Netzwerk hat dafür klare Regeln gesetzt – doch Marken missachten sie ständig. Erlaubt waren sie bisher nur im Rahmen eigens aufgesetzter Apps, Abstimmungen über Likes oder die Teilnahme über einen Kommentar unter einer Statusmeldung waren explizit untersagt. Selbst großen Marken und großen Werbeagenturen aber war dies egal – oder sie wussten es nicht besser. Erstaunlich.
Nun aber müssen sie sich darum auch nicht mehr kümmern. Offensichtlich ist die Zahl der eigentlich illegalen Gewinnspiele derart angestiegen, dass sich Facebook der normativen Kraft des Faktischen beugt: Künftig sind Gewinnspiele mit allen Funktionen einer Marken-Page erlaubt.
Die neuen Möglichkeiten
Künftig geht vieles, wozu es Marken schon immer drängt. Zum Beispiel:
- Teilnehmer können über Kommentare eingesammelt werden: „Lust in iPad zu gewinnen? Dann kommentiert unter diesem Post.“
- Teilname durch Direktnachricht ist möglich: „Lust ein iPad zu gewinnen? Dann schicke eine Nachricht an diese Page mit Deiner Adresse.“
- Teilnahme durch Likes: „Unter allen, die diesen Post liken, verlosen wir ein iPad.“
Einerseits erlöst Facebook damit die Betreiber von Markenseiten zumindest teilweise von einem großen Problem: der Aktivitätsrate. Die zeigt, wie viele der Fans einer Marke mit deren Auftritt interagiert haben. Gleichzeitig bestimmte diese „Reden darüber“-Quote unter anderem, ob die Updates einer Marke bei einem bestimmten Nutzer im gefilterten Nachrichtenstrom angezeigt wurden.
Seit geraumer Zeit klagten Unternehmen über eine sinkende Interaktionsrate bei ihren Seiten. Das lag maßgeblich an unkreativem Content: Irgendwann mochten die Verbraucher eben nicht mehr den Like-Button drücken, wenn ihnen ein Limonadenhersteller zum 43. Mal ein schönes Wochenende wünschte.
Gewinnspiele steigerten schon immer die Interaktionsrate von Facebook-Pages. Doch die Auslagerung auf Apps senkten die Teilnehmerzahlen: Apps werden kaum noch angeklickt, weisen nicht ständig Status Updates auf sie hin. Doch ständige Status Updates mit Gewinnspielinhalten nerven auf Dauer die Fans.
Zusätzlich mussten Verbraucher ihr Profil mit der zugehörigen App verbinden, was die Genehmigung zum Zugriff auf gewisse Daten nötig machte. Diese Genehmigung lässt viele Nutzer zögern, auch weil viele Mythen darüber kursieren, was mit den Daten passiert. Die Angst, das Unternehmen könne alle auf Facebook gespeicherten Daten an sich reißen, ließ eine substanzielle Zahl von Konsumenten die Gewinnspielteilnahme abbrechen.
Diese Hürden waren logisch aus der Sicht von Facebook. Die Plattform will kein Gewinnspielkarussell werden, auf dem an jeder Ecke iPads verlost werden. Stattdessen sollten Unternehmen eben relevante Inhalte erzeugen, mit denen Nutzer freiwillig interagierten und nicht, weil es etwas kostenlos abzugreifen gibt.
Wo ist der Haken?
Auch weiterhin brauchen Gewinnspiele rechtliche Regeln sowie den Hinweis, dass Facebook nicht beteiligt ist. Diese müssen bei Spielen über Status Updates an einem anderen Ort hinterlegt und verlinkt werden. Es ist damit zu rechnen, dass dies mancher vergisst – und sich so zumindest kurzfristig rechtlichen Ärger einhandelt.
Problematischer ist die Benachrichtigung der Gewinner. Die ist nämlich über Facebook weiterhin verboten, ebenso aber das Posten des Gewinnernamens auf der eigenen Seite, nur Abkürzungen wie „Thomas K. aus Düsseldorf“ sind erlaubt.
Gerade Gewinnspiele über Likes dürften schwierig sein – denn hier werden Nutzer nicht automatisch benachrichtigt, wenn unter ihren Likes der entscheidende Kommentar zur Verkündung der Gewinner gepostet wird. Und: Wer die Liste der Teilnehmer haben möchte, muss diese von Hand erstellen.
Warum die Wende?
Der wirtschaftliche Druck dürfte eine Erklärung sein: Unternehmen werben mit Facebook-Ads für Gewinnspiele. Für diese Werbeinvestitionen wollen sie einen ROI sehen – und der steigt mit der Zahl der Gewinnspielteilnehmer.
Die Folgen
Auf den ersten Blick haben die Digital Marketeers bekommen, was sie sollten. Wir dürfen mit einer Flut neuer Gewinnspiele rechnen, die meisten dürften noch unkreativer werden als bisher. Das dürfte vor allem Apple freuen: Schließlich sind iPads die Gewinne der Spielausrichter ohne einen Funken Kreativität.
Gewinnspiele funktionieren – und deshalb werden die Aktivitätsraten auf Marken-Pages steigen. Dies löst den Druck, sich Gedanken über relevante Inhalte zu machen – was die Qualität der Kundenbeziehungen senken könnte. Stattdessen werden die Facebook-Seiten überflutet werden von Gewinnspiel-Teilnehmern, die keinerlei Interesse an der Marke haben: Sie wollen nur Preise abräumen.
Zusätzlich ist ein Rattenrennen zu befürchten. Die steigenden Aktivitätsraten anderer Pages wird selbst vernünftige Seitenbetreiber dazu verleiten, selbst auf Gewinnspiele zu setzen – auch, weil die Seiten anderer Marken als Benchmark herangezogen werden.
Somit sind die neuen Facebook-Regeln ein Pyrrhus-Sieg für das Online-Marketing: Zwar haben die Unternehmen bekommen, was sie wollten. Doch die Qualität der Kundenbeziehung könnte drastisch sinken, weil sich die Pages füllen mit Gewinn-Jägern, die kein Interesse an der Marke haben.
Unser Rat
Wir glauben, dass Digitales Marketing das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden verändert. Statt platter Werbebotschaften wird künftig langfristige Kommunikation um relevante Inhalte das Marketing dominieren.
Die neuen Gewinnspielregeln Facebooks werden viele Entscheider dazu verleiten, sich von dieser anstrengenderen, gleichzeitig aber höheren Erfolg versprechenden Vision zu verabschieden und sich auf die überkommene, kurzsichtige Sichtweise zu beschränken.
Tatsächlich ziehen Gewinnspiele keine Kunden an – sondern Gewinnspieler. Und: Gewinnspiele auf Facebook sind wie Heroin: Ist der Rausch des einen Spiels vorbei, sinkt die Aktivitätsrate. Dann braucht der Junkie einen neuen Schuss – und aus diesem Zyklus wird er sich nicht wieder lösen.
Wir raten also nicht völlig ab von Gewinnspielen, sehen sie aber eher als Ausnahme-Instrument denn als Allheilmittel.
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