Trends 2020: Markenfriktion
In der guten, alten Welt des Marketing war alles einfacher. Der Markenverantwortliche konnte sich einbilden, dass sich in den Köpfen der Verbraucher ein Markenbild einstellt, wenn die Kommunikation in Gestalt von Spots, Anzeigen, Verpackung und Kundenservice nur einheitlich genug war.
Dies war schon immer eine Fehlannahme. Zu den Binsenweisheiten meines Marketingstudiums zählte schon der Hinweis, dass eine Marke ein Angebot an Verbraucher ist – was diese in ihren Köpfen daraus machen, ist ihnen selbst überlassen.
Das Digitale Zeitalter hat diese psychologische Komponente noch verstärkt. So sind biedere Retro-Marken wie Ellesse oder Fila wieder hip, teils ohne so fürchterlich viel dafür ausgegeben zu haben.
Auf der SXSW im März sagte Paul Dillinger, der Innovations-Vizepräsident von Levi Strauss: „Immer mehr Menschen schaffen sich ihre Kultur, es entstehen Micro-Kulturen. Früher definierte man sich über ,Ich bin reich‘ oder ,Ich besitze Macht“. Heute heißt es einfach „Ich bin“ – man definiert selber, was einen ausmacht.“
Aaron Levand, der Chef von NTWRK, einer gehypten E-Commerce-Plattform für Streetwear, ergänzte auf dem gleichen Podium: „Wir haben den Punkt erreicht, an dem Leute nichts mehr interessant finden, was nicht limitiert ist oder aus einer Kooperation mit einem Musiker entstanden ist… Dieser Trend wird weitergehen, solange Menschen etwas kaufen.“
2020 werden wir auch in Deutschland erleben, dass
- Marken miteinander kooperieren, die scheinbar nicht zusammen passen,
- Marken sich in Produktfelder wagen, die bisher nicht mit ihnen verbunden wurden
- Marken häufiger Popup-Locations betreiben
- Marken Erlebniswelten im Handel schaffen, die sie abheben von ihren Mitbewerbern.
Die meisten Grundideen stammen dabei aus einer Branche, die all dies schon praktiziert: Streetwear-Mode.
Die ersten Beispiele solcher Marken-Friktionen sehen wir in Übersee. So vertreibt der Online-Möbelmarkt Wayfairer eine Kollektion in Zusammenarbeit mit dem Modemagazin „Cosmopolitan“, der „National Geographic“ versucht sich in Sachen Männerkleidung, North Face hat seine New Yorker Filiale zur Fortbildungseinrichtung gemacht, der Canada Goose-Laden in Toronto hat zwar Outdoor-Bekleidung zum Ausprobieren inklusive Kältekammer – aber keine Produkte mehr, die Besucher direkt mitnehmen können.
Natürlich fällt solch eine Aufweichung der Marke umso leichter, je weniger gefestigter sie ist. Neue Marken, die bei Null anfangen, sind hier im Vorteil: Sie können ihre Kommunkation dem anpassen, was ihre Kunden wünschen. Airbnb ist ein prominentes Beispiel: Vom Übernachtungsportal ist es Stück für Stück zum Reiseerlebnis-Anbieter geworden.
Neue Marken setzen Traditionsmarken damit unter Druck. Denn die allermeisten Marken haben ja keinen faktischen Endkundenkontakt außerhalb von Hotlines – und die rufen nur Menschen an, die ein Problem haben.
Deshalb werden 2020 manche Marken auch versuchen Clubs zu gründen, um Gemeinschaftserlebnisse zu schaffen und mehr über ihre Kunden zu lernen.