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Gastkommentar in der „Rheinischen Post“ zur CDU-Wahl

Pünktlich zur Wahl der neuen CDU-Vorsitzenden am Freitag Morgen veröffentlichte die „Rheinische Post“ einen Gastkommentar unseres Gründers Thomas Knüwer. Darin beschäftigte er sich mit der historischen Schuld der Partei am digitalen Drittwelt-Status des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Und er eröffnete eine Liste der grundlegenden Projekte, die nun angegangen werden sollten.

Hier der Text (die Veröffentlichung erfolgte vor der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer):

„Es war Helmut Kohl, der Helmut Schmidts Plan eines weitreichenden Glasfaserausbaus stoppte und Postminister Christian Schwarz-Schilling auf Kupfertechnologie setzen ließ. Dieser war bis zu seiner Ernennung Chef einer Firma, die am Kupferkabelausbau beteiligt war – er übergab den Chefsessel an seine Frau. Unter Angela Merkel folgten Jahre der PR-Luftblasen und Fehlentscheidungen. Jüngstes Beispiel: Die schnelle Mobilfunktechnik 5G soll bevorzugt entlang der Autobahnen ausgebaut werden, also in dünn besiedeltem Gebiet. Warum? Weil selbstfahrende Autos angeblich Datenströme benötigen. Tja, autonome Fahrzeuge brauchen aber nur Sensoren – und kein 5G. Wildschweine werden also schnell surfen, Architekten im Düsseldorfer Zooviertel können aber weiter ihre Baupläne nicht online mit Kunden erörtern. Wer immer den Vorsitz der CDU übernehmen wird (nennen wir die Person mal Annegret Merzspahn), besitzt die historische Chance, die Schuld der Partei am technologischen Rückstand der Bundesrepublik zu tilgen. Dafür aber ist eine herkulische Anstrengung nötig, wie diese Liste zeigt:

Glasfaser
An erster Stelle muss der flächendeckende Ausbau mit Glasfaser stehen, denn auch die 5G-Funkmasten saugen ihre Daten ja aus Glasfasernetzen.

Marktwirtschaft fördern
Drei Milliarden Euro will die Bundesregierung „breit gestreut“ bis 2025 in Künstliche Intelligenz investieren; unter anderem sollen 100 neue Professuren entstehen. Schon jetzt aber sind Professorenstellen nicht zu besetzen, weil KI-Forscher in anderen Ländern siebenstellige Jahresgehälter bekommen. Sinnvoller wäre viel Geld für wenige Stellen. Im Gegenzug sollten marktwirtschaftliche Ansätze gefördert werden, um private Gelder in den Digital-Bereich zu locken. Denkbar wäre ein vom Staat gegründeter Fonds, der in Tech-Unternehmen investiert und an dem sich Bürger, vielleicht steuerlich bevorzugt, beteiligen können.

Digitaldenken lehren
Alle reden über Computer an Schulen. Doch bis der Lehrkörper so weit ist, diese Technik sinnvoll in den Unterricht einzubringen, werden noch Jahre vergehen. Schneller ginge es an Universitäten. So sprach ich jüngst an meiner Alma Mater Münster mit BWL- und VWL-Studenten. Viele von ihnen würden am liebsten bei Start-ups arbeiten oder selbst gründen. Erschreckend: die Selbstverständlichkeit, mit der sie sagten, dass sie an der Uni nichts lernten, was sie dafür bräuchten. Annegret Merzspahn könnte ein Programm auflegen, das erfolgreiche Gründer und Digitalexperten zu Uni-Dozenten macht, selbst wenn diese keine klassische Wissenschafts-Vita mitbringen.

Gesellschaftsdebatte
Digitalität durchdringt unsere Gesellschaft wie keine Technologie seit dem Buchdruck. Dadurch stellt sie uns Grundsatzfragen. Merzspahn sollte diese Debatte anstoßen und kanalisieren, angefangen von Diskussionen über Beratungsgremien über die Förderung wissenschaftlicher Studien bis zu digitalgesellschaftlichen Themen. Am Ende könnte ein deutscher Standpunkt zum Digitalen Zeitalter stehen, in dem sich das Gros der Gesellschaft wiederfindet.

Recht neu denken
Verzweifelt versucht die Politik, das Digitale zu regulieren. Doch sie tut dies überhastet und mit überkommenen Mitteln. Beispiel Urheberrecht: Getrieben von Verlags-, Film- und Musikverbänden und unter Führung der Konservativen im Europaparlament, stehen wir vor einem Abschlachten der aktuellen Jugendkultur. Internet-Memes oder Hiphop leben von Zitaten, das tat schon Picasso. Doch diese Kunstformen werden künftig verboten. Hier wird den Jungen ihr kulturelles Herzblut von den Alten entzogen. Ganz nebenbei wird die nächste Generation gelehrt, die EU abzulehnen. Was wir bräuchten, wäre eine zeitgemäße Herangehensweise. So wird in den USA viel stärker ein Ausgleich aller Beteiligten angestrebt.

Auch in Deutschland reichen bestehende Gesetze weitgehend für die Regulierung – doch werden sie zu selten angewandt. Weniger neue Gesetze und mehr Rechtsdurchsetzung müssten das Ziel sein. Man könnte mit den großen Netzdiensten einen Deal machen: Das unsägliche Netzdurchsetzungsgesetz wird wieder abgeschafft – wenn die Plattformen die Meldung rechtlich fragwürdiger Inhalte erleichtern.

Digital-Minister
Nach Jahrzehnten des Ignorierens digitaler Themen scheint ein satt mit Geld und Macht ausgestattetes Digitalministerium die letzte Hoffnung zu sein. Doch wer sollte diesen Ministerjob machen? Die CDU hat keinen mit Digitalkompetenz auffällig gewordenen Vertreter. Dafür verfügt sie reichlich über fragwürdige Personen wie Forschungsministerin Anja Karliczek, die 5G nicht „an jeder Milchkanne“ braucht. Oder Hessens Innenminister Peter Beuth, der den Begriff E-Sports verbieten will, weil Videospiele für ihn kein Sport sind.

Es bleibt die Erkenntnis, dass Annegret Merzspahn zwar die Chance besitzt, die historische Schuld der Christdemokraten zu tilgen – doch gibt es keinen rationalen Grund anzunehmen, dass sie diese nutzen wird.“

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