Digitaldenken lehren
Alle reden über Computer an Schulen. Doch bis der Lehrkörper so weit ist, diese Technik sinnvoll in den Unterricht einzubringen, werden noch Jahre vergehen. Schneller ginge es an Universitäten. So sprach ich jüngst an meiner Alma Mater Münster mit BWL- und VWL-Studenten. Viele von ihnen würden am liebsten bei Start-ups arbeiten oder selbst gründen. Erschreckend: die Selbstverständlichkeit, mit der sie sagten, dass sie an der Uni nichts lernten, was sie dafür bräuchten. Annegret Merzspahn könnte ein Programm auflegen, das erfolgreiche Gründer und Digitalexperten zu Uni-Dozenten macht, selbst wenn diese keine klassische Wissenschafts-Vita mitbringen.
Gesellschaftsdebatte
Digitalität durchdringt unsere Gesellschaft wie keine Technologie seit dem Buchdruck. Dadurch stellt sie uns Grundsatzfragen. Merzspahn sollte diese Debatte anstoßen und kanalisieren, angefangen von Diskussionen über Beratungsgremien über die Förderung wissenschaftlicher Studien bis zu digitalgesellschaftlichen Themen. Am Ende könnte ein deutscher Standpunkt zum Digitalen Zeitalter stehen, in dem sich das Gros der Gesellschaft wiederfindet.
Recht neu denken
Verzweifelt versucht die Politik, das Digitale zu regulieren. Doch sie tut dies überhastet und mit überkommenen Mitteln. Beispiel Urheberrecht: Getrieben von Verlags-, Film- und Musikverbänden und unter Führung der Konservativen im Europaparlament, stehen wir vor einem Abschlachten der aktuellen Jugendkultur. Internet-Memes oder Hiphop leben von Zitaten, das tat schon Picasso. Doch diese Kunstformen werden künftig verboten. Hier wird den Jungen ihr kulturelles Herzblut von den Alten entzogen. Ganz nebenbei wird die nächste Generation gelehrt, die EU abzulehnen. Was wir bräuchten, wäre eine zeitgemäße Herangehensweise. So wird in den USA viel stärker ein Ausgleich aller Beteiligten angestrebt.
Auch in Deutschland reichen bestehende Gesetze weitgehend für die Regulierung – doch werden sie zu selten angewandt. Weniger neue Gesetze und mehr Rechtsdurchsetzung müssten das Ziel sein. Man könnte mit den großen Netzdiensten einen Deal machen: Das unsägliche Netzdurchsetzungsgesetz wird wieder abgeschafft – wenn die Plattformen die Meldung rechtlich fragwürdiger Inhalte erleichtern.
Digital-Minister
Nach Jahrzehnten des Ignorierens digitaler Themen scheint ein satt mit Geld und Macht ausgestattetes Digitalministerium die letzte Hoffnung zu sein. Doch wer sollte diesen Ministerjob machen? Die CDU hat keinen mit Digitalkompetenz auffällig gewordenen Vertreter. Dafür verfügt sie reichlich über fragwürdige Personen wie Forschungsministerin Anja Karliczek, die 5G nicht „an jeder Milchkanne“ braucht. Oder Hessens Innenminister Peter Beuth, der den Begriff E-Sports verbieten will, weil Videospiele für ihn kein Sport sind.
Es bleibt die Erkenntnis, dass Annegret Merzspahn zwar die Chance besitzt, die historische Schuld der Christdemokraten zu tilgen – doch gibt es keinen rationalen Grund anzunehmen, dass sie diese nutzen wird.“